Wie ein Kaiserslauterner Startup mit smarten Lösungen den Katastrophenschutz verbessert.

Sie waren mit dem THW bei der Flut im Ahrtal – als Hilfskräfte, aber auch als junges Startup-Team: Die Gründenden von inventied aus Kaiserslautern wollen den Katastrophenschutz sicherer, effizienter und digitaler machen. Neben Aufklärung und Vorbereitung setzen sie dafür auf einen besonders ausgeklügelten Anhängeraufbau.


Die vier Köpfe hinter dem Kaiserslauterner Startup inventied wissen aus eigener Erfahrung: Im Notfall zählt jede Sekunde. Mit smarten – digitalen wie analogen – Lösungen wollen sie daher nichts Geringeres erreichen, als die Hilfe in Extremsituationen effizienter und sicherer zu machen.

Dafür produzieren sie in ihrem hellen Büro in einem Startup-Hub in Kaiserslautern mit dem 3D-Drucker Prototypen für Rettungszubehör und entwickeln eine Online-Resilienzplattform für die Bevölkerung, auf der wichtige Informationen für den Notfall gesammelt sind – von Kontakten über Checklisten bis hin zu Videoanleitungen, wie man sich im Ernstfall verhalten sollte. Auch ein Ideenportal, das innovative Lösungen für den Katastrophenschutz schneller vorantreiben soll, ist Teil der Revolution von inventied. Einsatzkräfte von THW, Feuerwehr oder anderen Hilfsorganisationen können Lösungsansätze für Probleme aus der Einsatzpraxis bei inventied einbringen. Das Startup entwickelt daraus gemeinsam mit den Einsatzkräften ein marktreifes Produkt. Marketing und Vertrieb übernimmt inventied – und natürlich werden die Einsatzkräfte am Gewinn beteiligt.

„Aus der Projektarbeit entstand zum Jahresstart 2021 das Startup inventied.“

Die größte Innovation von inventied aber steht eine knappe Autostunde entfernt auf dem Gelände des THW in Frankenthal: Der Vario-Load-Rescue ist ein flexibler Anhängeraufbau, der all das Equipment fasst, das für Rettungs- und Bergungsaufgaben benötigt wird. „Der Anhänger ist sicher, variabel und schnell einsatzbereit“, sagt inventied-Mitgründer Lukas Kalnik und zeigt auf die eng gepackten Regalfächer. Darin stapeln sich bis zu 1.400 Gegenstände, darunter Kanthölzer, Gerüstsysteme und Baustützen.

Kalnik ist nicht nur Wirtschaftsingenieur, sondern auch Schlosser. Der Prototyp des Vario-Load-Rescue war kleinteilige Handarbeit. Als dieser aus der Halle in Frankenthal rollte, meldeten sich die ersten THW-Ortsverbände: Sie wollten auch so einen Aufbau.

Die Idee dafür entstand bereits im Studium. Kalnik und Studienkollege Jan Schellhaaß wollten 2017 die gemeinsame Bachelor-Arbeit „nicht für den Papierkorb schreiben”. Sie hatten bald ein Problem gefunden, das sie wirklich umtrieb: Die Feuerwehr hat Anhänger, in denen auch das kleinste Werkzeug einen Platz hat und immer einsatzbereit ist. Nur beim THW mit seinen 80.000 Ehrenamtlichen war das kein Standard.

Aus der Projektarbeit entstand zum Jahresstart 2021 das Startup inventied. Trang Lam, Finanzprofi, und Markus Weidmann, Maschinenbauingenieur, sind beide ebenfalls im THW aktiv und ergänzen seitdem das Team. Das junge Unternehmen gewann direkt das EXIST-Gründungsstipendium, ein Förderprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz. Danach folgten schnell weitere Preise für das Startup. Seit Kurzem sind die Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz sowie drei weitere Investoren mit Wagniskapital bei inventied eingestiegen.

„Wir haben im Einsatz gemerkt, wo es hakt, was wir noch besser machen können, wo noch Lösungen fehlen.

„Kaiserslautern ist für uns ein idealer Standort“, sagt Jan Schellhaaß. Das Team schätzt besonders die Größe der Stadt: nicht zu klein, nicht zu groß – laut Schellhaaß ideal, um sich mit den spannenden Unternehmen vor Ort zu vernetzen und auszutauschen. Zudem sei die Hochschule Kaiserslautern eine „tolle Nachwuchsschmiede, besonders in den technischen Fächern“. Und nicht zuletzt, ist sich das Team einig, bedeute die Region rund um den Betzenberg und darüber hinaus auch Heimat.

Wie wichtig Zusammenhalt und Teamwork sind, erlebten die vier nur wenige Monate nach der Gründung: Im Juli 2021 hatte das junge Team seinen größtmöglichen ersten Einsatz. Kalnik, Lam, Schellhaaß und Weidmann waren mit ihren Entwicklungen im Ahrtal – als Startup-Gründende, vor allem aber als THW-Hilfskräfte. Die Zerstörungen durch die verheerende Flut und die Schicksale der Betroffenen haben das Team schockiert und nachhaltig berührt. Ihr Engagement vor Ort wirkte sich auch auf ihre innovativen Produkte aus: „Wir haben im Einsatz gemerkt, wo es hakt, was wir noch besser machen können, wo noch Lösungen fehlen“, sagt Weidmann.


Doch nicht nur auf die Technik muss im Katastrophenfall Verlass sein. Auch die Menschen sollten wissen, was zu tun ist. „Wir wollen, dass die Bevölkerung vorbereitet ist, wenn etwas passiert“, betont Lam. Sie öffnet eine der grauen Notfallboxen, die inventied online und über Geschäfte in der Region vertreibt. Die Pakete für den Ernstfall enthalten etwa ein Kurbelradio, Wasseraufbereiter, 20 Jahre haltbare Proteinriegel und einen USB-Stick mit voreingestellter Ordnerstruktur. „Wir wollen keine Panik verbreiten, sondern einen Weg aus der Angst heraus zeigen“, erläutert Weidmann.

„Noch besser wäre es natürlich, wenn wir mit smarten Lösungen das Schlimmste verhindern können.

Wer etwa durch eine Flut einen Großteil seines Besitzes verloren habe, sei zumindest froh, wenn digitalisierte Dokumente wie die Geburtsurkunde oder die Baupläne des Hauses schnell greifbar sind. Weidmanns Kollege Kalnik nickt zustimmend und ergänzt nachdenklich: „Noch besser wäre es natürlich, wenn wir mit smarten Lösungen das Schlimmste verhindern können.“


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