Wie ein Startup aus Ludwigshafen die Weinwelt mit KI verändern möchte

Das Startup Genie Enterprise aus Ludwigshafen will den persönlichen Weingenuss mit künstlicher Intelligenz verbinden und dadurch verbessern. Die Technik dahinter hilft aber auch Unternehmen, Aktenberge effizient zu durchsuchen.

 

Am Anfang war der Wein. Seit Regina Keßler in Rheinland-Pfalz lebt, wollte sie immer mehr wissen über die Reben, Trauben und das fertige Produkt. Als Auszubildende mochte die gebürtige Thüringerin Wein, wusste aber nie genau, warum sie welche Sorte gerne trank. Dann traf sie ihren Mann, einen Experten für künstliche Intelligenz (KI) und mit Begeisterung für neue Ideen. Keßler ließ sich zur Sommelière ausbilden und gründete ein Startup, das den Weinmarkt revolutionieren will.

„Wir wollen die digitale Transformation in der deutschen Weinwirtschaft vorantreiben“

Ein heißer Donnerstag im Juli 2023, die Außenjalousien des Technologiezentrums Ludwigshafen sind heruntergefahren. Die offen liegenden gelben Stahlträger im Inneren verbreiten Industrie-Chic, der Rest des Büros ist nüchtern gehalten. Regina Keßler führt durch die Räume, überall stehen Monitore mit schwarzem Hintergrund. Darauf zu sehen: für Laien unverständliche Zahlen und Buchstaben, Codes, Daten. Genie Enterprise mit seinen neun Mitarbeitenden hat sich zum Ziel gesetzt, mit Daten die Weinwelt zu verändern. Das Startup will die Produktion, den Handel und den Genuss von Wein mithilfe von KI auf ein anderes Niveau heben.

„Wir wollen die digitale Transformation in der deutschen Weinwirtschaft vorantreiben“, sagt Thomas Keßler. Er ist der Techniker im Unternehmen und arbeitet seit Jahrzehnten mit KI. Mit den Datenexperten um KI-Teamleader Muhammad Bilal forscht er, wie Sensorsysteme, KI und Wein zusammenkommen. Das Unternehmen hat in der Gründungsphase viel Unterstützung vom Land Rheinland-Pfalz erhalten, etwa durch Fördergelder für Forschung und Innovationen sowie Hilfe beim Netzwerken. Mit dem „Step USA Programm“ etwa reisten die Keßlers nach New York. Die Kontakte zu den mitreisenden Unternehmen sind geblieben. „Das schweißt zusammen, das stärkt das Netzwerk“, sagt Regina Keßler.


Genie Enterprise ist eingebunden in das Forschungsprojekt „Pinot“ mit vielen Akteuren aus Rheinland-Pfalz. Das Projekt soll KI für oenologische Technologie entwickeln. „Die KI soll helfen, die menschliche Wahrnehmung von Nase, Mund und Zunge zu erweitern“, erläutert Thomas Keßler. Das kann Weintrinkenden bei einer Alternative zur Lieblingssorte helfen und Händlerinnen und Händler bei der Sortimentsauswahl unterstützen. Auch Winzerinnen und Winzer dürften von der Technologie profitieren: Die KI könnte es ihnen bald ermöglichen, Geschmack und Aroma objektiv und digital beim gesamten Prozess von der geernteten Traube bis zum Endprodukt zu verfolgen.

Mit ihrem digitalen Sommelier, dem WineGenie, wollten die Keßlers und ihr Team 2020 in den USA starten. „Wir waren bereit, die USA zu erobern“, sagt Regina Keßler. Pilotkunden standen bereit. In den großen Weinläden und Fachgeschäften sollte das so aussehen: Man trägt in einem kleinen Fragebogen auf einem Tablet Geschmacksvorlieben ein und das System schlägt passende Weine vor.

Doch dann durchkreuzte die Corona-Pandemie die Pläne. Unternehmen stoppten neue Projekte, Restaurants hatten plötzlich ganz andere Sorgen. „Wir mussten unser Geld von heute auf morgen auf andere Weise als geplant verdienen“, sagt Regina Keßler. Über Kontakte fand sie daraufhin ein Run-off-Versicherungsunternehmen, das auf der Suche war nach KI-getriebener Hilfe für die Auswertung von Verträgen: Hunderte Seiten Text – mühselig für Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter, eine Sekundenarbeit für den GenieReader, einem weiteren Geniestreich von Genie Enterprise.

„Wir wollen Handwerk mit Hightech vereinen - für besseren Wein, und damit auch für besseren Weingenuss.“

Und die Revolution beim Wein? Die soll nun endlich starten. In Österreich stehen bald die ersten Pilotkunden bereit, eine große Handelskette hat bereits großes Interesse signalisiert. Klappt es dort, kommt WineGenie bald auch nach Deutschland. Dann wird die Sommelière und Startup-Gründerin Regina Keßler wohl einen guten Wein aufmachen – einen Chablis vielleicht, denn den trinkt sie gern – und anstoßen auf die Verbindung von Tradition und Technik. „Wir wollen Handwerk mit Hightech vereinen – für besseren Wein, und damit auch für besseren Weingenuss“, sagt Keßler. „Denn“, so die Weinbegeisterte, „der persönliche Weingeschmack ist so individuell und vielfältig wie die Menschen selbst."


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