Mit Datenpower gegen Papierberge

Das Startup aus Kaiserslautern will Therapeutinnen und Therapeuten mehr Zeit für Patienten ermöglichen.

Digital hilft besser 

Gesundheitswirtschaft neu denken mit Digitalisierung: Um die Menschen und ihre psychischen Probleme genau verstehen zu können, nutzen Therapeutinnen und Therapeuten aufwendige Tests. Diese kosten viel Zeit und sorgen für riesige Dokumentenberge. Das Startup insight.out hat eine Lösung.

„Schauen Sie sich diese Ordner an“, sagt Jan Spilski. Der Psychologe, Hemd, Jeans, weiße Sneaker, nimmt einige dicke Ordner mit psychologischen Tests aus dem Regal und wuchtet sie auf den großen Konferenztisch. „Davon müssen wir ganze Regalmeter kaufen, auswerten und lagern – ein Wahnsinn“, sagt Spilski. 
 
Der wissenschaftliche Koordinator am Zentrum für Kognitionswissenschaften der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau (RPTU) hat wohl schon Tausende von Tests per Hand ausgewertet – und weiß, dass diese Verfahren in vielen Gesundheitsbereichen viel Zeit und Energie kosten. Da gibt es den Depressionsfragebogen, die Beck-Hoffnungslosigkeits-Skala, den Schmerzfragebogen Pain Detect oder den biografischen Fragebogen für Alkoholabhängige. In der Praxis heißen diese Tests „Papier- und Bleistift-Tests“, weil sie analog auf Papier ausgefüllt und ebenso analog ausgewertet werden.


Das analoge Testsystem hat viele Nachteile. Die Ordner brauchen Platz, die Auswertung ist zeitaufwendig und damit teuer. Gerade kleine Praxen haben dafür oft keine Zeit. Ein weiteres Problem, erläutert Spilski: „Die Krankenkassen zahlen für die Auswertung nur eine geringe Pauschale, die die tatsächlichen Kosten bei Weitem nicht deckt.“ Seine Beobachtung: Einige wichtige Tests, etwa zur Schmerzerfassung, könnten so gar nicht durchgeführt werden. Und: Stark nachgefragte Fachärztinnen und Fachärzte, etwa für Psychotherapie, müssten wegen des Papieraufwands Menschen in Not auf die Warteliste setzen.

„Mit der textbox bringen wir professionelle, standardisierte Diagnostik in die kleinste Praxis.

Um diesen Problemkomplex zu lösen, hat das Kaiserslauterner Startup insight.out die testbox entwickelt. Die Idee zum Startup kam Franca-Alexandra Rupprecht, Informatikerin und Expertin für Mensch-Computer-Interaktion. Rupprecht suchte vor einigen Jahren ein Tool für Testverfahren, mit dem Messergebnisse und Biofeedback in Echtzeit direkt digital aufbereitet werden können. Mitgründer Andreas Schneider beschreibt die Innovation: „Mit der testbox bringen wir professionelle standardisierte Diagnostik in die kleinste Praxis.“ Die testbox ist eine Online-Plattform, auf der Therapeutinnen und Therapeuten sowie Ärztinnen und Ärzte verschiedene Testverfahren direkt einkaufen, digital durchführen und automatisiert auswerten lassen können.

Praxen können die testbox ab 25 Euro im Monat erwerben, hinzu kommen bei einigen wenigen Verfahren die Lizenzpreise, die meisten sind jedoch lizenzkostenfrei. Die Patientinnen und Patienten füllen die Tests am Tablet aus, oder die Therapeutin oder der Therapeut führt durch das Verfahren. „Ein Therapeut bekommt mit wenigen Klicks ein Ergebnis, an dem er seine Therapie ausrichten kann“, so Schneider.

Im November 2020 hat das junge Unternehmen den Gründerpreis „Pioniergeist“ gewonnen, weitere Unterstützung durch das Land Rheinland-Pfalz folgte. Im Vorjahr stieg die Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz (ISB) ein. Nun will das Startup wachsen.

Mehr als 200 standardisierte Tests hat insight.out derzeit im Angebot. Darüber hinaus entwickelt das Team um Rupprecht und ihre Mitgründer Schneider und Spilski eigene neuropsychologische Tests. Ein Beispiel ist eine App, mit der Kinder im Vorschul- oder frühen Schulalter auf einem Tablet Schreibübungen machen können – ähnlich wie mit einem digitalen Malprogramm. Die App erkennt, ob die Kinder beispielsweise Probleme mit der Hand-Augen-Koordination oder verkrampfte Armmuskeln haben. Eltern können dann mit Übungen reagieren oder professionelle Hilfe suchen. „Die einfache App hilft, Problemen vorzubeugen, die Kinder manchmal ein ganzes Schulleben lang begleiten“, sagt Rupprecht.


In Zukunft wollen Rupprecht und ihr Team neue Märkte erschließen. Mehr als 20 englischsprachige Tests bieten sie bereits in der testbox an. „Wir wollen etwas bewirken, wir wollen die Gesellschaft verbessern, am besten weltweit“, erläutert Rupprecht die Motivation hinter insight.out.

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